Missionare auf Zeit

Mitleben, Mitbeten, Mitarbeiten

Herzlichkeit statt Pünktlichkeit

Unterricht in der Grundschule der Schule Julie Postel in Metarica/Mosambik. Hier arbeiten auch die beiden Missionarinnen auf Zeit Katharina Kloß und Johanna Friedrich mit. Foto: Florian Kopp
Unterricht in der Grundschule der Schule Julie Postel in Metarica/Mosambik. Hier arbeiten auch die beiden Missionarinnen auf Zeit Katharina Kloß und Johanna Friedrich mit.

Katharina Kloß und Johanna Friedrich berichten von ihrem Einsatz in Mosambik

Katharina Kloß und Johanna Friedrich haben im Sommer 2019 am Engelsburg-Gymnasium in Kassel ihr Abitur gemacht und verbringen nun ein Jahr als Missionarinnen auf Zeit in den Niederlassungen der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel in Mosambik. Zurzeit arbeiten sie in dem pädagogischen Zentrum der Ordensgemeinschaft in Metarica. Jetzt berichten sie über ihre Eindrücke und Erfahrungen aus einem Land, in dem Pünktlichkeit keine Rolle spielt, die Herzlichkeit des Augenblicks dafür aber umso bedeutsamer ist.

In ihrem Bericht mit dem Titel „Von der Herzlichkeit, die uns in Deutschland so oft fehlt“, schildert Katharina Kloß zunächst, warum sie sich überhaupt entschied, ein Jahr lang in Mosambik zu leben und zu arbeiten:

Drei Jungen aus der Turma  A des pädagogischen Zentrums Julia Postel in Metarica bei ihrer "Graduacao", der Abschiedsfeier aus dem Kindergarten. Sie kommen nach den Ferien in  die Schule. Foto: Johanna Friedrich.
Drei Jungen aus der Turma A des pädagogischen Zentrums Julia Postel in Metarica bei ihrer „Graduacao“, der Abschiedsfeier aus dem Kindergarten. Sie kommen nach den Ferien in die Schule.

„Während meines letzten Schuljahrs fing ich an mir Gedanken darüber zu machen, wie ich das nächste Jahr so ganz ohne Schule verbringen möchte. Für mich stand sofort fest, es solle ein Jahr im Ausland sein, eine Arbeit mit Menschen und vor allem Kindern. Auch der Kontinent war für mich schnell klar: Afrika, der Kontinent von dem man immer mal wieder etwas hörte, aber der trotzdem so weit weg schien.

Mosambik war für mich mein Leben lang ein Land in Afrika, dem ich kaum bis gar keine Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Doch durch meine Schule, das Engelsburg-Gymnasium, wurden mir die Projekte der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel vorgestellt, und ich fing an mich im Internet zu informieren. Das Projekt vereinte genau das, was ich mir vorgestellt hatte und dazu begleitete mich der Orden schon seit acht Jahren.

Meine Eltern und auch einige Freunde und Bekannte waren zunächst generell nicht besonders begeistert davon, dass ich mein Auslandsjahr in Afrika, bzw. Mosambik, verbringen wollte. Viele waren der Ansicht, es sei zu gefährlich (…). Doch das hielt mich nicht ab. Also bewarb ich mich und gefühlt einen Wimpernschlag später sitze ich nun hier in Mosambik.“

Die Missionarin auf Zeit Katharina Kloß im pädagogischen Zentrum. Foto: Johanna Friedrich
Die Missionarin auf Zeit Katharina Kloß im pädagogischen Zentrum.

Johanna Friedrich erinnert sich: „Während der Schulzeit hat es mich lange beschäftigt, etwas zu tun das einen Sinn hat. Mich beschäftigten all die großen Fragen des Lebens, nach dessen Sinn, meinem Platz in der Welt und wie ich etwas Sinnvolles tun solle. Ich meine, was hat überhaupt einen Sinn? Ich stand jedenfalls mit einer Menge Fragen da, deren Antworten ich für mich alleine finden müsste, und die einzige Antwort, die mir halbwegs befriedigend erschien, war etwas für andere bewirken zu wollen.

Als Teil eines Ganzen etwas bewirken

Teil eines sozialen Projektes zu sein war also naheliegend. Und da meine Lehrer diesen Wunsch von mir kannten, wiesen sie mich auf die Projekte der Ordensgemeinschaft, die auch mich während meiner Schulzeit am Engelsburg-Gymnasium begleitete, hin. Alles von da an passierte so unfassbar schnell und brachte mich dahin, wohin ich jetzt bin: nach Metarica in Mosambik.

Ob ich nun wirklich etwas bewirke, würde ich so vielleicht nicht sagen, aber ich bin definitiv Teil von etwas, das sicherlich etwas bewirkt. Und mit all meinen großen Fragen an das Leben stehe ich immer noch da, wie ich es vermutlich auch mein Leben lang immer wieder werde. Doch ich weiß, ich lerne eine völlig neue Sichtweise auf eben dieses Leben kennen und helfe in einer Schule, was mir -definiere man „sinnvoll“ wie man wolle – zumindest nah dran erscheint.

Die Erfahrungen, die wir hier in den dreieinhalb Monaten schon sammeln konnten sind einerseits, wie wir sie erwartet haben und andererseits doch irgendwie anders und kaum zu beschreiben. Man muss es einfach einmal selbst gesehen haben.

Bei der ewigen Profess von vier Schwestern erlebten die MaZ Katharina Kloß und Johanna Friedrich einen Gottesdienst, in dem die enge Gemeinschaft zu spüren war. Foto: Johanna Friedrich
Bei der ewigen Profess von vier Schwestern erlebten die MaZ Katharina Kloß und Johanna Friedrich einen Gottesdienst, in dem die enge Gemeinschaft zu spüren war.

Schon am ersten Abend wurden wir von der Herzlichkeit und der Freundlichkeit hier eingenommen. Egal wo wir hinkamen: Für uns wurde ein Willkommenslied gesungen.“

Katharina gibt zu, „dass ich zu Beginn etwas Angst hatte. Was würde ich tun, wenn ich mich hier nicht wohlfühlen werde? Was ist mit Heimweh? Doch diese Fragen waren verflogen, als ich die ganzen Mädchen hier gesehen hatte, die für uns gesungen haben und uns umarmten, als wir aus dem Auto stiegen. Diese Freude, Herzlichkeit und Offenheit sorgten dafür, dass ich mich fühlte, als würde ich Freunde wiedertreffen, die ich seit langem nicht mehr gesehen hatte, obwohl ich die ganzen Menschen zum ersten Mal sah.“

Über ihren gemeinsamen Einsatz in Mosambik berichten die beiden Missionarinnen auf Zeit:

„Genau diese Offenheit und Herzlichkeit zieht sich durch unseren Alltag hier. Sei es im ,Centro Educacional Julia Postel‘, wo wir arbeiten, auf der Straße oder auf dem Markt. Menschen grüßen uns und lächeln uns zu. Es ist die Art der Herzlichkeit, die uns in Deutschland häufig fehlt.

Bei ihrer Abschlussfeier im Kindergarten spielen die Iinder mit Luftballons. Die sogenannte "Graduacao" ist in Mosambik ein großes Fest. Foto: Johanna Friedrich.
Bei ihrer Abschlussfeier im Kindergarten spielen die Iinder mit Luftballons. Die sogenannte „Graduacao“ ist in Mosambik ein großes Fest.

Normalerweise arbeiten wir vor- und nachmittags im Centro Educacional. Wir helfen in der Vorschule. Dort spielen wir viel mit den Kindern, aber gleichzeitig werden die Kinder auch schon an den Schulalltag herangeführt. Je nach Alter der Kinder gibt es verschiedene Gruppen – hier genannt: Turmas – von A bis C. In Turma A sind die ältesten Kinder der Vorschule und in Turma C die jüngsten. Je nach Turma werden auch unterschiedliche Dinge beigebracht.

Während die Kinder in Turma C Collagen kleben oder kneten, um die Feinmotorik der Kinder zu verbessern etc., lernen die Kinder in Turma B zum Beispiel schon das Alphabet oder ihren Namen zu schreiben. Sowohl vormittags als auch nachmittags bekommen die Kinder ein Essen. Dabei sind vormittags andere Kinder in den Turmas als nachmittags.

Bei der Arbeit mit den Kindern geht uns das Herz auf. Das klingt wie ein Klischee. Aber wenn man die Kinder lachen sieht, wenn man mit ihnen spielt oder auch mal Quatsch macht, dann geht einem das Herz auf.

Die Kinder freuen sich immer total uns zu sehen. Auf dem Weg zum Markt rufen uns häufig Kinder zu, weil sie uns erkennen. Oder sie kommen nach der Kirche sonntags zu uns und reden kurz mit uns.

Kinder essen in der Schule in Metarica eine kräftige Suppe oder einen Brei aus Mais. Für viele Kinder ist diese Speise die einzige Malzeit am Tag, Foto: Florian Kopp
Kinder essen in der Schule in Metarica eine kräftige Suppe oder einen Brei aus Mais. Für viele Kinder ist diese Speise die einzige Malzeit am Tag,


Zurzeit sind in der Schule Ferien, da im Moment die Regenzeit ist und viele Eltern auf dem Feld arbeiten. Die Felder sind jedoch auch manchmal weiter entfernt, und die Eltern nehmen ihre Kinder mit dorthin. Das bedeutet für uns, dass wir im Moment bei Arbeiten auf dem Gelände der Schwestern helfen. Das können Arbeiten wie sein wie das Nummerieren der Türen im neu gebauten Schweinehaus oder das Sammeln von Steinen auf dem Feld. Das sind Arbeiten, die für uns nicht besonders geläufig, aber hier selbstverständlich sind.

Wir wohnen in Metarica, einem kleinen Dorf in der Nähe von Cuamba. Das Leben hier ist definitiv anders als unser gewohntes Leben in Deutschland: Hier gibt es eine Hauptstraße, die jedoch nicht asphaltiert ist und die man auch kaum als Straße bezeichnen kann. ‚Huppelpiste‘ oder ‚Schlaglochreihe‘ trifft es doch eher.

Zum Markt laufen wir etwa 15 Minuten. Auf dem Weg dahin begegnen wir regelmäßig einer Herde Ziegen, die wenn ein Auto vorbeifährt von der Straße gehupt werden. Ab und zu fallen Mangos von Bäumen, die niemandem gehören und jedem zur Verfügung stehen. Auf dem ,Mittelstreifen‘ sitzen in der Nähe vom Markt Menschen, die etwas verkaufen wollen: beispielsweise kleine Kuchen oder auch lebendige Hühner.

Keine Freizeitangebote, einfaches Essen

Es ist für uns sehr ungewohnt, nicht die Art Freizeitaktivitäten zu haben, wie wir sie in Deutschland haben, etwa ins Kino zu gehen – eigentlich haben wir gar keine Art von Freizeitaktivitäten. Die Auswahl besteht zwischen Schlafen oder Spazieren gehen. Wir haben uns daher viele Bücher mitgebracht und organisiert.

Eine weitere Umstellung ist, dass es hier eben nicht die gleiche Auswahl an Essen gibt. Unsere Grundnahrungsmittel, wenn wir zwei für uns alleine kochen, sind Kartoffeln, Nudeln und Reis. Das Problem dabei ist nur, dass wir eben nur dies und nichts dazu zubereiten können, was einerseits mit dem Mangel an Zutaten zu tun hat, vielmehr aber vermutlich an dem Mangel unserer Kompetenz liegt, den unsere Kochkünste aufweisen. Tütensoßen und Fertigsuppen aus Deutschland retten uns meistens.

Der Spielplatz des Schulgeländes, auf dem die Kinder der  Vorschule sehr gerne spielen. Foto: Katharina Kloß
Der Spielplatz des Schulgeländes, auf dem die Kinder der Vorschule sehr gerne spielen.

Den Verkehr würden wir persönlich eher als ‚wild‘ beschreiben. Alles, was sich auf der Straße befindet, wenn man vorbeifahren will, wird angehupt, bis es weg ist. Man sieht auch häufig Autos, in denen eigentlich zu viele Menschen sitzen.

Als wir einmal von Cuamba nach Nampula mit einem Bus reisen wollten, hielt der Bus ca. zwei Stunden vor unserem Ziel neben einem kleinen Dorf an. Der Bus war kaputt. Also hieß es ‚Aussteigen‘ und vor einem fremden Haus sechs Stunden auf einen Ersatzbus warten. An das Reisen in Afrika haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Damals war es aber noch sehr irritierend für uns, dass plötzlich jemand ganz selbstverständlich seine lebendige Ziege aus dem Gepäckfach holte und Hühner auf dem Fahrersitz saßen.

Die Wartezeit verbrachten wir dann damit mit den Novizinnen, die mit uns gefahren waren, um zu singen oder uns mit anderen Menschen zu unterhalten. Zeit vergeht in Mosambik ganz anders: Während in Deutschland bei sechststündiger Wartezeit vermutlich Aufstände gestartet würden, ist Warten hier etwas ganz Alltägliches.

Generell gilt ‚mosambikanische Pünktlichkeit‘. Das heißt: Wenn man um eine bestimmte Uhrzeit eine Verabredung hat, dann kann man eben nicht – wie in Deutschland – davon ausgehen, dass alle fünf Minuten vorher da sind, sondern vielleicht eher so eine halbe Stunde bis ganze Stunde später. Was aber auch gar nicht so schlimm ist, denn alle Menschen sind definitiv viel entspannter, was sich auch auf uns überträgt.

Dolce, ein Mädchen aus dem Turma C des pädagogischen Zentrums. Foto: Johanna Friedrich
Dolce, ein Mädchen aus dem Turma C des pädagogischen Zentrums.

Obwohl wir noch nicht lange hier sind, war es für uns ähnlich wie in einem Paradies, als wir in Nampula, einer relativ großen Stadt, in einem ‚normalen‘ Supermarkt etwas einkaufen konnten. Und wir freuten uns wie Kinder, als wir neue Schokolade bekamen.

Die Zeit, die wir bis jetzt hier verbracht haben, ist eine Zeit, die uns zwei als Team noch mehr zusammengebracht hat. Denn es gibt Erfahrungen, die eben sonst kaum jemand verstehen kann. Es ist eine Zeit mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen. Wir sind gespannt darauf, was noch kommen wird und freuen uns darauf.

Es war definitiv die richtige Entscheidung, für ein Jahr als Missionarinnen auf Zeit nach Mosambik zu gehen.“