Missionare auf Zeit

Mitleben, Mitbeten, Mitarbeiten

Ich habe eine zweite Heimat gefunden.

Mein Freiwilligendienst in Schineni, Rumänien

Franziska beim Basteln mit einem kleinen Jungen in Rumänien
Franziska beim Basteln mit einem kleinen Jungen in Rumänien (Foto: Franziska Klaes)

Der Flug ist gebucht, die Packliste für den Koffer geschrieben, die Abiturprüfungen liegen fast alle hinter mir und mit einem Mal wird mir bewusst: Bald geht es endlich los!

Am 15. August 2017 steige ich am Flughafen Düsseldorf in das Flugzeug, das mich nach Bukarest in Rumänien bringen wird. Von hier aus sind es noch einmal 5 Stunden mit dem Zug und Auto bis in das Dorf Schineni im Osten Rumäniens, wo ich ein Jahr verbringen werde. Vor mir liegen 12 Monate voller Herausforderungen und anstrengenden Tagen, aber vor allem glücklicher Momente und Erfolgserlebnisse, die ich so schnell nicht vergessen werde.


Mittlerweile sind seitdem 3 Jahre vergangen. Zeit für einen Rückblick auf meinen Freiwilligendienst in Rumänien mit SMMP. Ich habe 12 Monate lang im Kinderheim Arca Postel gearbeitet. Das Heim befindet sich in Schineni, einem Dorf im Osten Rumäniens in der Nähe der Stadt Bacau. In zwei Häusern leben hier 16 Kinder, die von einem Team aus 10 BetreuerInnen begleitet werden. Die Schwestern der Heiligen Maria Magdalena Postel sind seit mittlerweile 20 Jahren in Schineni aktiv und haben hier nicht nur das Kinderheim, sondern auch ein Soziales Zentrum im Nachbarort Siretu eingerichtet. Kinder aus den umliegenden Ortschaften kommen nach der Schule zum Essen, Spielen und zur Hausaufgabenbetreuung hierher. Auch aus dem Dorfleben sind die Schwestern nicht mehr wegzudenken, ob im Gottesdienst oder im Schwesternhaus, sie haben ein offenes Ohr für Probleme und organisieren zum Beispiel ein Freizeitprogramm für Kinder und Jugendliche im Dorf. Und auch wir als Freiwillige sind mittlerweile Teil des Alltags geworden.


Es ist Hochsommer, als ich Mitte August zum ersten Mal den Innenhof des Kinderheims betrete. Nach der Reise bin ich erschöpft und viele neue Eindrücke hatten mich müde gemacht. Trotzdem erinnere ich mich bis heute an das frisch gebackene Brot, das ich an meinem ersten Abend essen durfte und an viele freundliche Gesichter, Hände die meine Hand nahmen und mich herumführten und mir noch fremde Stimmen, die mich auf der fremden Sprache willkommen hießen. Was in den ersten Tagen noch neu ist, wird schnell vertraut und bekannt und als der Herbst beginnt fühle ich mich schon wie zuhause. Hinter mir liegen warme Sommerwochen, die ich im Gemüsegarten bei der Arbeit und auf dem Hof des Heims verbracht habe. Neue Wörter füllen mein Wörterbuch und ich habe eine Menge neuer Gesichter kennengelernt. Ein paar Dinge möchte ich schon jetzt nicht missen: das gemeinsame Kochen und Essen an einem großen Tisch mit einer riesigen Familie, Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten und die Sommerabende an denen wir bis die Sonne untergeht gemeinsam draußen Fußball spielen.

Kindergruppe beim Spielen; Foto: Franziska Klaes
Kindergruppe beim Spielen (Foto: Franziska Klaes)

Der Sommer vergeht viel zu schnell, die Arbeit im Garten wird weniger und Vorbereitungen für den Winter werden getroffen. Viele Menschen, die in Schineni leben, versorgen sich mehr oder weniger selbst mit Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten, Fleisch, Milch und Eiern von den eigenen Tieren. Zwei Mühlen im Dorf versorgen die Menschen mit Weizen- und Maismehl. Im Herbst bedeutet das auch, Vorbereitungen für den Winter zu treffen. Wir machen in den Vorratsräumen Platz für Zwiebeln und Kartoffeln und kochen auch anderes Gemüse für den Winter ein. Das Alltagsleben spielt sich ab jetzt immer mehr im Haus ab. Seitdem die Schule wieder angefangen ist, stehen nach dem Mittagessen zuerst die Hausaufgaben an. Mein Rumänisch wird immer besser und so kann ich einigen Kindern schon eine Hilfe sein. Immer wieder sind aber auch die Kinder meine Lehrer: Sie bringen mir neue Wörter bei, erklären, wie man etwas ausspricht und wie eben nicht. Das Erlernen der Sprache fällt so viel leichter, ich verliere meine Angst nachzufragen und erkenne, dass Fehler nicht so schlimm sind: Und wenn wir uns doch einmal nicht verstehen, kommunizieren wir mit Händen und Füßen.

Am Anfang schien es schwierig, sich mit dem Gedanken anzufreunden die Feiertage, wie zum Beispiel Weihnachten, nicht zuhause mit der Familie zu verbringen. Es wird kälter und die ersten Kerzen werden nachmittags, wenn es dunkel wird, angezündet. Wir verbringen die Nachmittage in der Küche beim Plätzchen backen und basteln Weihnachtsdeko, die bald im ganzen Haus zu finden ist. Die Feiertage rücken immer näher und statt Heimweh zu haben, freue ich mich, das Fest im Kreis dieser etwas anderen Familie zu verbringen. Wir besuchen gemeinsam die Festgottesdienste in der Kirche des Dorfes und gehen Colinde singen. Das ist eine Tradition, bei der man zu den Weihnachtsfeiertagen von Haus zu Haus geht und Weihnachtslieder singt. Kinder bekommen Süßigkeiten oder sogar Geld von den Zuhörern geschenkt. Danach trifft man sich zum Essen: An Weihnachten dürfen dabei Sarmale, das rumänische Nationalgericht, nicht fehlen. Eine Masse aus Hackfleisch, Reis und Gemüse wird dabei in eingelegte Kohl-oder Weinblätter eingerollt und gekocht. Gute Sarmale sind Gold wert und es bedarf viel Übung sie zuzubereiten, wie ich lerne. Es wird ein kalter Winter aber eintönig oder langweilig wird er trotzdem nicht.

Franziska mit Kindergruppe
Franziska mit Kindergruppe (Foto: Franziska Klaes)

Wenn es mir im Dorf zu still wird, mache ich an meinen freien Tagen einen Ausflug in die Stadt.15 Minuten dauert die Fahrt in die Stadt und kostet umgerechnet einen Euro. Der Gegensatz zwischen Stadt und Land könnte nicht größer sein. Man verlässt das große Einkaufszentrum, das von A-Z alles bietet und findet sich nur 20 Minuten und eine Busfahrt über holprige Straßen später in dem ruhigen Dorf wieder.


Die Zeit geht viel zu schnell vorbei. Ende August 2018 bin ich zurück am Flughafen Düsseldorf, aber es dauert noch einige Zeit, wirklich wieder anzukommen. Ich vermisse das Leben in meiner neuen zweiten Heimat. Was ich mitnehme sind nicht nur eine Menge Souvenirs in meinem Koffer, sondern Erfahrungen und Erinnerungen, die mich verändert haben und an die ich noch heute gerne zurückdenke. Im August 2017 schienen mir die 9 Monate, die ich plante in Rumänien zu bleiben, eine lange Zeit. Aus 9 Monaten wurden 12 und darauf folgten viele Besuche in Schineni auch nach dem Ende meines Freiwilligendienstes. Ich habe Freunde gefunden, die für mich auch heute noch ein wichtiger Teil meines Lebens sind. Ich durfte Menschen kennenlernen und ihre Geschichten hören, habe Erfahrungen gemacht, die mich bis heute prägen. Und dafür bin ich unendlich dankbar.

Bericht von Franziska Klaes